„Fall Emmely“ – BAG kippt fristlose Kündigung wegen unrechtmäßigem Einlösen von aufgefundenen Leergutbons, Urt. v. 10.06.2010 -Az. 2 AZR 541/09

Mit Urteil vom 10.06.2010 (Aktenzeichen 2 AZR 541/09) hat das BAG – anders als die Vorinstanzen der Klage – der Kassiererin eines Einzelhandelsgeschäfts stattgegeben, die ihr nicht gehörende Pfandbons im Wert von insgesamt 1,30 EUR zum eigenen Vorteil eingelöst hatte.

Die seit April 1977 bei einer Supermarktkette, beziehungsweise deren Rechtsvorgängerinnen als Verkäuferin mit Kassentätigkeit beschäftigte Arbeitnehmerin waren am 12.01.2008 von ihrem Filialleiter zwei in der Filiale aufgefundene Leergutbon im Wert von 0,48 EUR und 0,82 EUR zur Aufbewahrung übergeben worden, falls sich ein Kunde noch melden sollte.

Im Kassenbüro lagen die Bons sichtbar und offen zugänglich.

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen reichte die Arbeitnehmerin die beiden Bons bei einem privaten Einkauf zehn Tage später bei einer kassierenden Kollegin ein.

Nachdem dieser Sachverhalt dem Arbeitgeber bekannt wurde, kündigte er das bis dahin unbeanstandete Arbeitsverhältnis fristlos.

Das Bundesarbeitsgericht hat ausgeführt, der Vertragsverstoß sei schwerwiegend. Er berühre den Kernbereich der Aufgaben einer Kassiererin und habe damit trotz des geringen Werts des Pfandbons das Vertrauensverhältnis der Parteien erheblich belastet.

Als Einzelhandelsunternehmen sei die Arbeitgeberin besonders anfällig dafür, in der Summe hohe Einbußen durch eine Vielzahl für sich genommene geringfügige Schädigungen zu erleiden.

Im Rahmen der Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile (siehe § 626 Abs. 1 BGB) überwogen der angesichts der mit einer Kündigung verbundenen schwerwiegenden Einbußen die zu Gunsten der Arbeitnehmerin in die Abwägung einzustellenden Gesichtspunkte.

Dazu gehört insbesondere die über drei Jahrzehnte ohne rechtlich relevante Störungen verlaufende Beschäftigung, durch die sich die Arbeitnehmerin ein hohes Maßn an Vertrauen erwarb. Dieses Vertrauen konnte durch den in vielerlei Hinsicht atypischen und einmaligen Kündigungssachverhalt nicht zerstört werden.

Im Rahmen der Abwägung war auch auf die vergleichsweise geringfügige wirtschaftliche Schädigung des Arbeitgebers bedacht zu nehmen, sodass eine Abmahnung als milderes Mittel gegenüber einer Kündigung angemessen und ausreichend gewesen wäre, um einen künftig wieder störungsfreien Verlauf des Arbeitsverhältnisses zu bewirken.

Das von der Arbeitnehmerin erworbene „Vertrauenskapital“ durch die Zeit ihrer unbeanstandeten Beschäftigung sei daher durch den Kündigungssachverhalt nicht vollständig aufgebraucht gewesen.

Quelle: Pressemitteilung v. 10.06.2010

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